Grußwort...
unserer Schirmfrau Karin Nordmeyer, UN Women Nationales Komitee Deutschland e.V.
"In welcher Welt wollen wir miteinander leben? Ich bin mir sicher, dass wir auf diese Frage alle antworten werden: In einer gerechten Welt. In einer Welt, in der Frauen und Männer „de jure” und „de facto” die gleichen Rechte genießen. In einer Welt, in der Frauen ebenso wie Männer in Würde leben können, in der vollen Verantwortung für ein selbstbestimmtes Leben, frei von Gewalt. Das aber ist noch nicht Realität, nicht selbstverständliche Lebenswirklichkeit. In weltweit allen Gesellschaften besteht zwischen den Geschlechtern noch Ungerechtigkeit: So besitzen etwa in Entwicklungsländern weniger als zwei Prozent der Frauen Land, sie erzeugen aber etwa 80 Prozent der Grundnahrungsmittel; 70 Prozent der armen Weltbevölkerung sind Frauen; 75 Prozent der 876 Millionen Analphabeten sind Frauen. Auch in Deutschland ist die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern noch nicht aufgehoben. Betrachten wir gezielt die Situation für Frauen an den Universitäten, so finden wir nur auf jedem fünften Lehrstuhl eine Frau – obwohl der Anteil der weiblichen Studierenden mit höheren Abschlüssen, einschließlich Promotion und Habilitation, insgesamt weit höher ist. Weibliche Studierende in „Männerstudiengängen“ haben häufig besonders große Widerstände zu überwinden. Und besonders deutlich zeichnet sich die Ungerechtigkeit ab, wenn die betroffene weibliche Studierende eine Behinderung hat, denn dann wird sie aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Behinderung diskriminiert. Hindernisse wie z.B. die Treppenstufen im Hörsaal, oder das Fehlen eines Aufzuges sind schwer zu überwinden. Neben diesen äußerlichen Barrieren im Studium sind da aber noch die mentalen Hürden. Die Überlegungen der betroffenen Studierenden kreisen um: „Kann ich das überhaupt eigenständig schaffen?“; „Habe ich die Kraft dafür?“; „Wie finde ich Kontakte und woher kann ich Hilfe bekommen?“. Es kommen weitere Probleme dazu: Berührungsängste – manchmal gar Feindseligkeit – die gegenüber Menschen mit Behinderungen erhoben werden: „Hat die Frau im Rollstuhl vielleicht wegen irgendeiner Quote meiner Freundin den Studienplatz weggenommen?“. Eminent wichtig sind während des Studiums Praktika und Nebenjobs zum Sammeln von Erfahrungen. Doch hier ist der Arbeitsmarkt besonders schwach und die Chancen sind für Frauen mit Behinderung gering, eine geeignete und passende Stelle zu finden. Viele Unternehmen zögern noch immer,
Menschen mit Behinderung einzustellen, denn ein Handicap bedeutet, dass diese Menschen vielleicht zusätzliche Unterstützung benötigen könnten. Was können wir tun, um unserer Vision der gerechten Welt näher zu kommen? Wir können dafür sorgen, dass die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die 2008 in Kraft getreten ist, umgesetzt wird. Die Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der mit 128 Staaten (darunter auch Deutschland) abgeschlossen wurde und Menschen mit Behinderung die vollen Grundrechte zuschreibt. Die Unterzeichnerstaaten haben dafür Sorge zu tragen, dass die bestehenden Rechte gewährleistet werden. Mit seinem inklusiven Tandemprojekt setzt der Hildegardis-Verein um, was die Vereinten Nationen mit der Behindertenrechtskonvention in Artikel 3 vorgeben: die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit; die Nichtdiskriminierung; die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Mit diesem Projekt wird der Hildegardis-Verein einen weiteren Schritt auf dem Weg zu voller und wirksamer Teilhabe an der Gesellschaft und der Einbeziehung in die Gesellschaft erreichen.
Das Projekt „Lebensweg inklusive: KompetenzTandems“ zeigt uns, wie genau dieser Artikel erfolgreich in die Tat umgesetzt werden wird. Es werden Frauen mit Behinderung nicht nur gefördert, sondern vor allem individuell gestärkt. Durch die Zusammenarbeit von Studierenden mit und ohne Behinderung in Tandem-Programmen wird der erste wichtige Schritt der Annäherung vorgenommen. Die Frauen werden merken, dass sie gegenseitig voneinander lernen und profitieren können. Das wird besonders die Solidarität zwischen den Frauen stärken. Frauen mit Behinderung werden nicht mehr nur auf Hilfe angewiesen sein, sondern werden auch ihren Mentoring-Partnerinnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dank des Projekts des Hildegardis-Vereins können sie als gleichberechtigte Mitglieder am sozialen Leben teilhaben. So können die Rechte, die die meisten von uns tagtäglich ausleben, nun auch endlich für Frauen mit Behinderungen zum „normalen Alltag“ werden. Wir alle wünschen uns eine gerechte Welt. Die rechtliche Grundlage dafür ist gelegt, doch wir alle müssen für die Umsetzung sorgen. Dem Hildegardis-Verein und den Teilnehmerinnen an dem Projekt „Lebensweg inklusive: KompetenzTandems“ wünsche ich bonne chance. Menschen wie sie verändern die Welt – jede ein kleines bisschen…"